Panik vor Robotern, die uns attackieren, jedoch für übertrieben. „Die Angst, dass sich die Künst liche Intelligenz gegen uns Menschen richtet, ist derzeit vollkommen unbegründet. Wir sind noch sehr weit davon entfernt, dass eine Ma schine ihre eigenen Entscheidungen trifft“, sagt Chris Boos, Gründer von Arago und einer der deutschen Pioniere für Künstliche Intelligenz. Dass die Maschinen immer intelligenter wer den, ist jedoch unbestritten. „Künstliche Intelli genz basiert darauf, dass es uns nach und nach gelingt, das menschliche Gehirn abzubilden“, sagt Boos. „Diese Arbeit ist sehr kompliziert, aber wir werden immer besser.“ Die Erfolgsme thode der vergangenen Jahre trägt den Namen „Deep Learning“, man darf sich diesen Ansatz bildlich vorstellen: Beim Lernen gehen die Com puter tatsächlich in die Tiefe, ihre erstaunlichen kognitiven Fähigkeiten entwickeln sich in drei dimensionalen Schichten. „Die Idee des maschinellen Lernens existiert, seit es Computer gibt“, erklärt Damian Borth, Deep LearningExperte beim Deutschen Forschungs institut für Künstliche Intelligenz. Die kogni tiven Fähigkeiten des Menschen stecken im Ge hirn – und das Gehirn besteht aus Neuronen. „Unser Ziel lautet daher, diese Neuronen ma thematisch abzubilden und zu Netzwerken zu verknüpfen.“ Solche Ideen gibt es seit den 1960 erJahren, aber erst 2012 gelang der Durch bruch: „Seitdem haben wir die Computer, die diese Verknüpfungen tatsächlich rechnen und simulieren konnten.“ Vor fünf Jahren bestanden die neuronalen Netzwerke aus acht Schichten. Heute verfügen einige bereits über Tausende Schichten, das Lernen geht also tatsächlich viel weiter in die räumliche Tiefe. „Weil die Rechner zusätzlich schneller werden, können wir das Lerntempo enorm erhöhen“, sagt Damian Borth. Wie alle Computer wissen auch die Rechner elemente im simulierten Gehirn zunächst ein mal nichts. „Mithilfe der neuronalen Netzwerke können wir ihnen aber heute fast alles beibrin gen. Wir müssen sie nur füttern.“ Ein Computer, der einmal gewinnt, gewinnt immer Abermillionen Bilder ziehen pro Tag durch die Schichten. Füttert man das System erstmals mit dem Bild einer Katze, kann es nichts damit an fangen. Hat es Millionen Katzenbilder verschie dener Ausprägung gefuttert, entwickeln sich nach und nach kognitive Fähigkeiten. Dann kann das System unterscheiden, welche Katze ein gefährlicher Räuber oder eine verschmuste Hauskatze ist. Ein wichtiges Element der Intel ligenz ist die Intuition: Wir Menschen handeln häufig richtig, ohne dass wir dabei die Logik ins Spiel bringen. Nur, woraus speist sich dieses WI S SEN Die Idee des maschi- nellen Lernens existiert, seit es Computer gibt. D A M I A N B O R T H ist Informatiker und Direktor des Kompetenzzentrums Deep Learning am Deutschen Forschungsinstitut für Künst liche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern. Für seine Arbeit wurden Borth und sein Team unter anderem mit dem McKinsey Business Tech- nology Award sowie dem Goggle Research Award aus- gezeichnet. Bauchgefühl? „Im Grunde doch aus Erfahrun gen, die uns unbewusst auf den richtigen Gedan ken bringen“, sagt Damian Borth. „Wir Menschen haben bestimmte Vorgänge so oft erlebt, dass wir intuitiv wissen, was zu tun ist. Diese Erfah rungswerte bringen wir nun auch der Künstlichen Intelligenz bei.“ Und die lernt rasend schnell: Hat sie eine Sache erst einmal verstanden, wird sie rasch unschlag bar gut darin. Wir Menschen haben uns daran gewöhnt, dass eine Maschine auch den besten Großmeister im Schach besiegt. Getröstet haben wir uns mit der Aussicht, dass es strategische Spiele gibt, bei denen die Besten der besten Menschen der Maschine jederzeit überlegen sein werden – ganz einfach, weil es in diesen Spielen dermaßen viele Optionen gibt, dass es letztlich auf das Bauchgefühl ankommt. „Go“ ist so ein Spiel: Die Regeln sind einfach, die Vielfalt mög licher Züge unglaublich hoch. Bis 2014 gab es nicht einmal einen Rechner, der es mit einem soliden Amateurspieler aufnehmen konnte. Nur ein Jahr später besiegte die Maschine „AlphaGo“ den weltbesten GoSpieler. Und weiter ging’s: Ein Jahr später gewann „Hiro“, die Künstliche Intelligenz von Chris Boos’ Unternehmen Arago, gegen die bis dahin unschlagbaren Champions des StrategieVideospiels „Civilization“, bei dem es darum geht, aus einem einfachen Acker ein Imperium erwachsen zu lassen. Alles nur eine Spielerei? Nicht, wenn man sich die anderen Einsatzbereiche von „Hiro“ vor Au gen führt: Die Künstliche Intelligenz automa tisiert Prozesse in Branchen wie dem Banken wesen, dem Rohstoffhandel oder der Software Entwicklung, viele weitere sollen folgen. Alles was automatisierbar ist, wird automatisiert wer den – so lautet die Zukunftsformel der Experten. Oder anders formuliert: Alles, was in 3D model lierbar ist, wird von der Künstlichen Intelligenz erobert. Und der Mensch? Wird nicht arbeitslos, sondern steht vor der Aufgabe, die virtuelle Drei dimensionalität gewinnbringend in der echten Welt zu nutzen. André Boße 10